23. November 2025
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein dahergelaufener Möchtegern-Experte meint, bei der gesetzlichen Rente könne etwas eingespart werden. Heute sind es zur Abwechslung die Grünen.
Aus gegebenem Anlaß deshalb abermals die Fakten.
Die Rente mit 63 gibt es nicht mehr. Sie müsste inzwischen Rente mit 65 heißen, weil sie es ermöglicht, zwei Jahre früher, mit 65 statt mit 67 abschlagsfrei in Rente zu gehen. Nur Menschen, die 45 Jahre oder mehr in die Rentenkasse eingezahlt haben, erhalten diese abschlagsfreie Rente.
Wer 45 Jahre oder mehr in die Rentenkasse einzahlt, hat sich diese zwei Jahre früheren Rentenbezug redlich verdient.
Wer meint, dies einem Arbeitnehmer streitig machen zu müssen, soll erst einmal vor der eigenen Türe kehren und prüfen, wie lange er selbst in die Rente einbezahlt haben wird, wenn er mit 67 in Rente geht. Die allermeisten werden im Leben nicht auf vergleichbare 45 oder mehr Beitragsjahre kommen.
Diese Rente ermöglicht es Menschen, die 35 oder mehr Jahre in die Rente einbezahlt haben, bis zu vier Jahre vor Erreichen des 67. Lebensjahres in Rente zu gehen, frühestens also mit 63.
Für jeden Monat des früheren Renteneintritts wird für die gesamte Dauer des Rentenbezugs die Höhe der Rente um 0,3 % gekürzt. Ein Mensch, der vier Jahre vor der Regelaltergrenze von 67 Jahren aufhört, bekommt also lebenslang satte 14,4 % weniger Rente.
Dieser Abschlag gleicht die Zeit aus, die jene Menschen länger Rente erhalten (nämlich bis zu vier Jahre) und belastet die Rentenkasse daher nicht anders als die reguläre Rente.
Ein heute erschienener Beitrag auf Tagesschau enthält die große Überschrift »Kulturwandel weg von der Frühverrentung«.
Jedoch: Es gibt gar keine Kultur der Frühverrentung.
Außer den beiden oben geschilderten zwei Varianten gibt es bei der gesetzlichen Rente keinen Weg, vor dem 67. Lebensjahr in Rente zu gehen.
Die oben geschilderten Formen des Rentenbezuges sind weit entfernt davon, einer »Kultur der Frühverrentung« Vorschub zu leisten. Sie sind ein gerechter Ausgleich für diejenigen, die ein langes Arbeitsleben über treu in die Rente einbezahlt haben und sind nicht der Grund, warum das Rentensystem einer Reform bedarf.
Mit großer Überschrift eine Forderung nach einem »Kulturwandel weg von der Frühverrentung« zu vermelden ist eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit: Wer das so unkommentiert liest, bekommt den Eindruck, es gäbe eine solche »Kultur« und dies sei womöglich ein Grund für aktuelle Rentenprobleme.
Diese Form von Berichterstattung ist üble Propaganda.
Als Fazit darf gesagt werden:
Die Grünen disqualifizieren sich mit ihrem Positionspapier zur Rente. Sie sind offenbar nicht in der Lage, die Situation bei der Rente richtig einzuschätzen.
Die Tagesschau versäumt es mit Beiträgen wie diesem, ihrem Auftrag einer neutralen und ausgewogenen Berichterstattung gerecht zu werden.
Anstelle solcher Propaganda ist es höchste Zeit, die richtigen Schritte zu machen: Alle Menschen müssen in die gesetzliche Rente einzahlen, auch Beamte, Selbstständige, Abgeordnete usw. Solange die Rente auf einem »Generationenvertrag« beruht, müssen Kinderlose stärker an den Lasten beteiligt werden.
Bei allen echten Reformvorschlägen ist wichtig: Die gesetzliche Rente beruht auf einem über Jahrzente laufenden Versprechen an die arbeitende Bevölkerung. Wer am bestehenden Konstrukt auch nur die leisesten Veränderungen vornehmen will, muss berücksichtigen, dass jenes Versprechen noch über Jahrzehnte allen gegenüber einzuhalten ist, denen es gegeben wurde. Erst danach lassen sich Änderungen umsetzen.
Alles andere ist ein Vertragsbruch, ein Bruch jenes Versprechens und eine Rentenkürzung, die Rentnern, die ein Leben lang in die Rente einbezahlt haben, etwas von ihrer Lebensleistung nimmt, zu einem Zeitpunkt, an dem sie sich nicht mehr dagegen wehren können.
Damit muss Schluss sein.
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