Philosophie

22. Januar 2025

 

foto Selten hängt die Landschaft mehr voller Parolen als zur Wahlkampfzeit. Ein Sinn hinter den leeren Sprüchen ist kaum zu entdecken. Oft erschließt sich bei reiflicher Überlegung einer, der so den Plakatmachern entgangen sein dürfte. 

Nehmen wir die Losung von Herrn Merz. Er ist für "ein Deutschland, auf das wir wieder stolz sein können".

Stolz sein auf ein Land, das womöglich Herrn Merz als Bundeskanzler wählt? Kanzler oder nicht, schwierig, das mit dem Nationalstolz. Arthur Schopenhauer hat das wie folgt kommentiert.

Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.
(Arthur Schopenhauer)

Aber bleiben wir doch für einen Moment bei der CDU und nehmen noch die FDP hinzu.

Alles gelogen, maximaler Zynismus

Ulrike Herrmann von der taz hat ein großes Talent, Dinge einfach verständlich zu machen und ihnen dabei zugleich den angemessenen Stellenwert zu verleihen. Auf eine ihrer so wunderbar zutreffenden Analysen macht heute der Albatros aufmerksam. Genau zur rechten Zeit, wie ich finde.

Und deswegen ist diese Wahrscheinlichkeit, dass auch nur eine der Steuerreformen durchkommt, die jetzt gerade von der CDU und – natürlich noch extremer – von der FDP versprochen werden, diese Wahrscheinlichkeit ist ungefähr bei ein Prozent.
(Ulrike Herrmann am 21.1.2025 beim SWR; via Albatros) 

So wenig diese Einschätzung überrascht, macht Herrmann dies zuvor glasklar nachvollziehbar. Ihr eigenes Fazit daraus fällt ebenso klar aus:

Das heißt, dieser Wahlkampf findet irgendwie statt auf Wolke sieben. Von Volksparteien, und gerade von der CDU, die immer so tut, als hätte sie irgendeine Ahnung von Wirtschaft, da wird einfach alles vom Himmel herunter versprochen, was keinerlei Realität hat. Und das habe ich in dieser Krassheit in meiner Zeit als Journalistin nicht erlebt.
(Ulrike Herrmann am 21.1.2025 beim SWR; via Albatros)

Könnte dies nicht auch gelegentlich jemand von den Mainstream-Medien in ähnlicher Deutlichkeit aussprechen? Da es dort stattdessen gern übersehen wird - auch eine Form von cancel culture - macht Frau Herrmann weiter klar:

Denn die Kosten für die Programme der CDU sind ja ungefähr, je nachdem, wie man das rechnet, bis zu 100 Milliarden, und das Irre ist ja, dass die CDU gleichzeitig sagt, sie will aber die Schuldenbremse einhalten. Und spätestens da, also das hat ja noch nicht einmal was mit Betriebswirtschaft zu tun, man kann nicht Geld ausgeben, wenn es gar keine Einnahmen gibt, das ist wirklich bedenklich. … Da wird gar nichts passieren. … Das ist eigentlich alles gelogen. Das ist ja maximaler Zynismus.
(Ulrike Herrmann am 21.1.2025 beim SWR; via Albatros)

Wenn sich dem noch etwas hinzufügen ließe, dann vielleicht die Ergänzung, dass Wählern bewußt ist, wen sie da wählen und also nicht wegen sondern trotz jener Lügen und jenem Zynismus ihre Wahl treffen. 

Amerika läßt grüßen, der Geist unserer Zeit.

Ausgleich

Zugleich eine Antwort auf die Frage, warum es sich lohnt, Blogs im Internet zu folgen. Wie kaum bei anderen Quellen finden sich hier Menschen, die mit ihren Worten häufig ins Schwarze treffen, einen Nerv treffen, das richtige Thema zur richtigen Zeit wählen und klare Kante zeigen, wo 'klassische Medien' allzu häufig nur Wischiwaschi absondern oder den Punkt komplett übersehen.

Beim vorliegenden Beispiel hat zwar der SWR alles richtig gemacht. Blogs bilden aber dennoch häufig eine wichtige Ergänzung unserer heutigen Informations- und Diskurskultur, die ohne sie bei 'den Medien' häufig vergeblich gesucht wird.

Oder anders gesagt, was sich in den Medien nicht findet hat nicht stattgefunden, es sei denn, ein Blog berichtet darüber.

Ausblick

Vielleicht hat ja der Eine oder die Andere seine oder ihre Wahlentscheidung noch nicht abschließend getroffen oder ist bereit, nochmal darüber nachzudenken. Wo wir bereits namhafte Philosophen bemühen sei ganz im Sinne Immanuel Kants allen Wählern an ihren freien Willen appelliert.

Der Wille ist ein Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft unabhängig von der Neigung als praktisch notwendig, d.i. als gut, erkennt.
(Immanuel Kant)





 

Copyright © Ulrich Hilger, alle Rechte vorbehalten.