Eins Komma Fünf Grad

7. Dezember 2023

 

foto Wir setzen unser Programm aus Abbildungen warmer Regionen mit einer Aufnahme aus Sardinien im Spätsommer 2022 fort. Derweil steht es nahezu fest, das Jahr 2023 wird das wärmste der Geschichte. Man kommt ja eigentlich gar nicht mehr mit, welche Wetter-Rekorde gerade gelten, so schnell, wie sie wieder eingestellt werden.

Gut ist schon einmal, dass wir die Bilder zur Erinnerung haben. Demnächst dürften unsere beliebtesten Urlaubsregionen selbst im Winter nicht mehr für Ferienreisen taugen, so verödet, wie sie demnächst sein werden.

Das Erreichen einer Marke wäre bei alledem eher ein Grund zur Freude: Wenn der weltweite CO2-Ausstoß einmal geringer ausfiele als im Jahr davor. Aber das werden wir vermutlich nicht mehr erleben, zu groß ist unser Energiebedarf.

Energiebedarf

Stichwort Energiebedarf: Wir meinen ja, Dinge zu benötigen wie generative KI. Die Menschen sind beeindruckt von deren Fähigkeiten, sie kann Texte bilden und Bilder generieren. Der Preis dafür ist unter anderem der geradezu absurd hohe Energiebedarf der Technologie.

Es ist schon wieder ein paar Wochen her, da machte die Nachricht über den Stromverbrauch von generativer KI die Runde. Man wagt es kaum zu sagen. Die Bearbeitung einer einzelnen Anfrage benötigt zwischen drei und neun Wattstunden. Allein ChatGPT hatte in den letzten Monaten mehr als 195 Millionen Anfragen pro Tag, Tendenz weiter steigend.

Aktuellen Schätzungen zufolge könnte der Einsatz der künstlichen Intelligenz im Jahr 2027 so stark zugenommen haben, dass die weltweiten KI-Rechenzentren zusammen zwischen 85 und 134 Terawattstunden Strom pro Jahr verbrauchen. Das ist so viel wie der Strombedarf Schwedens, Argentiniens oder der Niederlande.

Nehmen wir noch Krypto-Mining in etwa der selben Größenordnung hinzu, ließe sich mit einem Verzicht bzw. einer Begrenzung ein kapitaler CO2-Betrag einsparen. Auf einen Schlag. Vielleicht kommen wir ja bald dahin, Betreiber von Rechenzentren und Anbieter von IT- und vor allem Cloud-Lösungen zu verpflichten, den Energieverbrauch ihrer Angebote sowie den jeweiligen Anteil an erneuerbaren Energien detailliert offen zu legen und fortzuschreiben.

Klimakonferenz

Weltklimakonferenzen reichen über 44 Jahre zurück bis 1979. Schwerpunkt und wichtiges Ergebnis war vor 44 Jahren die Warnung, dass "die weitere Konzentration auf fossile Brennstoffe im Zusammenhang mit der fortschreitenden Vernichtung von Waldbeständen auf der Erde zu einem massiven Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration führen"wird.

Allein die aktuelle Auflage der Zusammenkunft läuft als UN-Klimakonferenz seit 1995 und wir sind nach diesen 44 Jahren noch immer an ebenjenem Punkt.

Das Fazit der diesjährigen COP 28 darf wie folgt vorweg genommen werden: Die weitere Konzentration auf fossile Brennstoffe im Zusammenhang mit der fortschreitenden Vernichtung von Waldbeständen auf der Erde wird zu einem massiven Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration führen.

Allerdings dieses Mal im Idealfall gepaart mit der Absichtserklärung, Zitat "schrittweise", aus den fossilen Brennstoffen Kohle, Gas und Öl auszusteigen.

Auf dem UN-Treffen in Dubai, das in die zweite Woche geht, bekennen sich inzwischen mehr als 100 Staaten zu einem schrittweisen Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl – so auch die EU und die USA. Tagesspiegel

Jeder darf einmal für sich die Frage beantworten, wieviele Schritte zum Ausstieg wohl noch bleiben.

Ist es an Ironie zu übertreffen, dass die diesjährige Auflage der Weltklimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfindet, die wie alle ölexportierenden Länder nicht den geringsten Hehl daraus machen, ihre beträchtlichen Ölvorräte bis auf den letzten Tropfen meistbietend aufbrauchen zu wollen? Wem kommt es nicht so vor, als würde damit auf einer am Boden liegenden Welt auch noch herumgetrampelt?

Die Ironie wird allein schon damit übertroffen, dass der Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Chief Executive Officer (CEO) der VAE-Ölgesellschaft Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), Sultan Ahmed Al Jaber den Vorsitz der COP28 in Dubai führt.

Die Veranstaltung ist bei einer Zusammenkunft von über achzigtausend Teilnehmern angekommen und die einzige Konstante all jener Konferenzen ist die stetige Übereinkunft, den CO2-Ausstoß senken zu wollen während gleichzeitig der CO2-Ausstoß kontinuierlich gesteigert wurde.

Selten traf eine englische Redewendung besser zu als double facepalm.

Ausblick

Na klar, natürlich wollen wir das Ziel in Reichweite halten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dazu braucht es ja nur eine Verdreifachung der Erneuerbaren Energien bis 2030 und eine Verdopplung der Energieeffizienz. Schaffen wir locker, dafür sind es ja noch sechs Jahre hin.

Jetzt mal Klartext: Wir können inzwischen auch ohne Weltklimakonferenz präzisieren, was der Großteil der Wissenschaft bereits weiß: Das Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen, wird 2030 nicht erreicht werden. Und wir können ebenfalls bereits die Folgen dieser Verfehlung benennen.

Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Suchen wir uns am besten schon einmal ein hoch gelegenes Plätzchen in einer der Polregionen. Dort wird man es demnächst in Badehosen mit einem Sonnenschirm und einem Gummiboot gut aushalten können. Als Lesestoff unbedingt mitnehmen: Das Ministerium für die Zukunft.

(Listening to Dark Necessities - Red Hot Chili Peppers)





 

Copyright © Ulrich Hilger, alle Rechte vorbehalten.