Faktencheck

7. November 2023

 

foto Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Fachkräftemangel postuliert wird. Die Wirtschaft beklagt fortwährend, nicht genügend Personal zu finden. Und die Medien plappern es nach. Jüngstes Beispiel: Die Tagesschau zitiert den MINT-Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft IW.

MINT-Fachkräftemangel weiterhin gravierend

In den sogenannten MINT-Berufen - die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - fehlen laut aktuellem Report 285.800 Arbeitskräfte.

Die Aussagen räumen zwar auch einen Rückgang der Nachfrage ein, der auf die rückläufige Konjunktur zurückgeführt wird, der Fachkräftemangel sei aber dennoch gravierend. Überprüfen lassen sich solche Behauptungen, indem die Jammerei den Tatsachen gegenübergestellt wird. Es ist mal wieder Zeit für einen Faktencheck.

Faktencheck: Ist der Fachkräftemangel gravierend?

Allein im Sektor der Informationstechnologie ist schon seit längerem ein erstaunlicher Nachfragestau entstanden. Einerseits wird der Ruf nach dringend notwendiger Digitalisierung immer lauter. Andererseits bleiben Aufträge an die IT-Industrie aus. Das bestätigt die Erfahrung aus der Praxis, wie heise zu berichten weiß.

IT-Fachkräfte: Nachfrageeinbruch im dritten Quartal

Laut dem Personalvermittler Hays ist die Nachfrage nach IT-Experten im dritten Quartal 2023 deutlich gesunken.

Siehe da: Die Fakten zeigen ein anderes Bild. Es mag einen Fachkräftemangel geben, aber die Nachfrage nach Fachkräften sinkt auch. Eine 'gravierende' Auswirkung des Mangels ist nicht belegt und darf also bezweifelt werden.

Fazit

Die Unternehmen möchten in 'schlechten Zeiten' Personalkosten verringern. Nach dem Motto, "wir können es uns im Augenblick nicht leisten, euch zu beschäftigen, kommt gerne wieder, wenn wir wieder Aufträge haben". Der Faktencheck zeigt: Die Industrie vermeidet antizyklische Investitionen.

Der folgende Tipp an die Wirtschaft ist gratis und erfordert kein Institut, um darauf zu kommen: Es muss durchgängig in Ausbildung und gute Gehälter investiert werden, um Fachkräfte heranzubilden und langfristig zu binden. Es genügt nicht, das nur in Zeiten guter Konjunktur zu tun. Zugleich verschärft den Fachkräftemangel vor allem, Kosten immer nur einseitig beim Personal einsparen zu wollen.

Klagen über angeblichen Fachkräftemangel sind nichts weiter als schäbige Preisdrückerei für 'billige' Fachkräfte.

Update (16.11.2023): Die Lösung zum Fachkräftemangel und zugleich den Lacher des Tages liefert Business Insider (über Fefes Blog), danke dafür. Zitat: "A Florida restaurant chain says boosting pay and offering better benefits helped it end its labor shortage". Tja, wer hätte das gedacht.





 

Copyright © Ulrich Hilger, alle Rechte vorbehalten.