Alltäglich

2. April 2020

 

foto Ei­ner Fo­to­gra­fie sieht man sel­ten an, wann sie ent­stand. All­täg­li­che Si­tu­a­tio­nen und An­sich­ten tun ein Ü­bri­ges, än­dern a­ber nichts an der Be­deu­tung für den Fo­to­gra­fen, die mehr be­in­hal­ten mag.

Hier eine Aufnahme für die Reihe die bahn, die vor einem Jahr entstand. Das Bild lässt sich mit Blick auf den Takt im Frankfurter S-Bahn-Tunnel so alle fünf Minuten machen, könnte also dort alltäglicher nicht sein. Quasi der Normalzustand und gerade dadurch repräsentabel für Thema und Ort.

So weit die Theorie.

Gerade dieser Tage gewinnt im Rückblick die Fotografie dann aber einige ganz neue Bedeutungen. Zunächst die nun drastisch zusammengestrichenen Fahrpläne und verschwindend geringen Fahrgastzahlen. Wenn vor einem Jahr jemand den heutigen Zustand beschrieben hätte, wir hätten ihn einweisen lassen.

Nun ist bereits wieder April, ein ganzes Jahr seit diesem Bild vergangen und daher auch ein Aspekt, was im vergangenen Jahr so alles war. Gute Erlebnisse, einiges Aussergewöhnliche und ebensoviel, was erst jetzt, wo es fehlt, im Nachhinein bewußter wird. Dinge, die nicht aus dem Bild sprechen, aber dennoch mit der Aufnahme und der Zeit seitdem verbunden sind.

Das Fotografieren betreffend verhindert Corona in diesen surrealen Wochen, was während der Wintermonate auf einen Neubeginn harrte und nun, da der Winter endlich dem Frühling weicht, erst einmal keine neue Nahrung findet. Gewiß ein sehr untergeordneter Aspekt angesichts dieser Misere aber eben einer, der sich mit der Betrachtung von Bildern von vor einem Jahr auch verbindet.

Wie schnell doch alltäglich geglaubtes von der Bildfläche verschwindet. Wie unerbittlich unser derart durchgeplanter Alltag plötzlich so vollkommen eigenen Gesetzen folgt. Wir dürfen lernen: Nicht wir bestimmen unsere Tagesordnung, das einst Alltägliche ist so unerreichbar wie die Vergangenheit, in die unsere Gegenwart verschwand.

Um es mit Michael Stipe zu sagen: It's the end of the world as we know it. Können, wollen wir demnächst einfach zur Tagesordnung übergehen und wenn ja zu welcher?





 

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