Eigenbau

16. November 2019

 

foto In letzter Zeit hatte ich vermehrt den Wunsch einmal die eine oder andere Konfiguration oder Software auszuprobieren und stand dann vor der Hürde, keine geeignete Ablaufumgebung parat zu haben. Der eigene Server hätte noch Kapazität, müsste aber mal anders aufgesetzt werden, um mit einer durchgängigeren Virtualisierung die Maschine neben den Serveraufgaben noch anderen Nutzungen zuzuführen.

Manche Aufgaben löst man selbst mit ausreichender Abgrenzung durch Virtualisierung aber ungern an ein und demselben Rechner weil gewisse Konfigurationen auch mit Virtualisierung nicht so einfach nebeneinander funktionieren und eine produktiv laufende Maschine auch nicht durch irgendwelche anderen Aktivitäten kompromittiert werden will.

Mittelfristig sollte ein zweiter Rechner her, wobei eine Test- und Staging-Instanz keine üppige Rechenleistung braucht. Auch Plattenplatz kann überschaubar bleiben, nur viel Hauptspeicher sollte drin sein, dieser läßt sich nun einmal nicht virtualisieren.

In diesem Beitrag ist zusammengefasst, worauf meine Wahl schließlich gefallen ist und wie diese in Betrieb genommen wird. Neben den nachfolgend erwähnten Dingen sind zusätzlich eine Tastatur, Maus, ein Bildschirm nebst Anschlusskabel, Netzkabel mit Internet-Anschluss und ein USB-Stick erforderlich.

Auswahl und Vergleich

Das Angebot an fertigen Rechnern ist zwar vielfältig, aber die Preise sind astronomisch mit Hang zu Mondpreisen. Zum Glück gibt es viele Anbieter, bei denen die Komponenten auch einzeln erhältlich sind. So ist nun folgende Konfiguration entstanden:

Prozessor und Lüfter: AMD Athlon 200GE (57,90 €)
RAM: Crucial 16 GB (61,13 €)
SSD: Crucial 240 GB (32,99 €)
Gehäuse, Platine, Netzteil: ASRock DeskMini A300 (144,90 €)

Summe: 296,92 €

Der RAM-Baustein ist als einzelner 16-GB-Riegel etwas teurer als zwei 8-GB-Elemente, lässt aber Raum für eine Verdoppelung des Hauptspeichers.

Zum Vergleich: Ein Mac mini mit 8 GB RAM kostet derzeit 900 Euro, für einen 'nicht-Mac' mit 16 GB RAM muss man im Augenblick mindestens 700 € anlegen. Dabei fällt noch die unverschämte Preisgestaltung von Apple auf.

Der Mac mini mit 16 GB anstelle von 8 GB kostet 240 € mehr. Ein 8-GB-RAM-Baustein kostet im Handel aber nur 32,49 €. Auch die Mac-mini-Variante mit 256 GB SSD anstelle von 128 GB kostet noch einmal 240 € Aufpreis. Ein Witz angesichts des Einzelpreises von 34,99 € für z.B. eine SanDisk 240 GB SSD.

Und wenn wir schon dabei sind: Auch die Komponenten für einen Rechner mit der aktuellen Basiskonfiguration eines Mac mini, also Intel i3-8100 3.6 GHz, 8 GB RAM, 120 GB SSD nebst Gehäuse, Netzteil, Lüfter kosten einzeln mit 336,08 € nur etwas mehr als ein Drittel (!) des Apple-Preisschilds.

Übrigens kostet der Intel-Chip im Mac fast dreimal so viel wie das hier genannte AMD-Modell, ist aber nur knapp doppelt so schnell und braucht auch mehr als doppelt so viel Strom (vgl. CPU Benchmark).

Zusammenbau

Hier kurz die nötigen Schritte zum Zusammenbau in der Übersicht. Die Details sind in einem beigelegten Flyer auch für Hardware-Laien wie mich gut nachvollziehbar erklärt. Die folgenden Schritte müssen ohne Stromversorgung und stets geerdet ausgeführt werden um Stromschläge und Schäden durch statische Aufladung auszuschließen.

  1. Das Gerät stromlos machen
  2. Vier Schrauben an der Gehäuserückseite lösen
  3. Platine herausziehen wie eine Schublade
  4. Internes Stromkabel von der Platine abziehen
  5. Platine ganz dem Gehäuse entnehmen
  6. Prozessor in die Fassung einsetzen
  7. Lüfter auf dem Prozessor anbringen und fixieren
  8. Kabel des Lüfters auf die Platine stecken
  9. RAM in die Fassung einsetzen
  10. SSD auf der Unterseite der Platine anbringen
  11. Kabel der SSD an die Platine stecken
  12. Internes Stromkabel wieder an der Platine anstecken
  13. Platine ins Gehäuse zurückschieben
  14. Schrauben wieder befestigen

Die Platine macht die kleinen "Steckdosen" für die erwähnten Kabel gut zugänglich, die Kabel müssen nur angesteckt werden, es ist kein Löten erforderlich. Der Lüfter hat bereits die erforderliche Wärmeleitpaste an der Unterseite, wo er auf dem Prozessor sitzt. Den Lüfter also direkt aus der Verpackung auf den Prozessor setzen und nicht zwischendurch mit der Unterseite auf dem Tisch ablegen.

Betriebssystem installieren

Hier hat man die Qual der Wahl, ich habe mich für Ubuntu Linux 19.10 entschieden. Im Download-Bereich der Webseite von Ubuntu ist sehr anschaulich erklärt, wie man einen bootfähigen USB-Stick mit dem Systemabbild erstellen kann. Im ersten Schritt zur Installation wird also mit Hilfe eines anderen Rechners zunächst ein Systemabbild geladen und gemäß Anleitung ein bootfähiger USB-Stick erstellt.

Der USB-Stick wird vor dem Start des neuen Rechners an diesen angesteckt. Nach Anbringen von Stromkabel, Internetkabel, Bildschirm, Tastatur und Maus wird der Rechner eingeschaltet. Der Rechner bootet vom USB-Stick und es kann gewählt werden, ob Ubuntu ausprobiert oder installiert werden soll.

Nach Auswahl der Installation und Befolgen der Anweisungen auf dem Bildschirm ist das System in 10-15 Minuten auf dem Rechner. Selbigen herunterfahren und den USB-Stick entfernen. Nun sind Maschine nebst Linux bereit zur Nutzung.

Lüfter konfigurieren

Beim Einschalten des Rechners kann die "Entfernen"-Taste gedrückt gehalten werden womit man beim Start ins BIOS gelangt. Dort können Einstellungen vorgenommen werden, die den Lüfter nicht dauernd auf Hochtouren laufen lassen.

Die Drehzahlen für vier Temperaturen können angegeben werden. Des weiteren eine Temperatur für 'kritisch', die für die volle Drehzahl des Lüfters vorgesehen ist. Hier am besten 50 - 70 Grad Celsius in Fünferschritten eintragen und die Lüfterdrehzahl für die Schritte jeweils auf 0%, 15%, 30% und 45% setzen. Im BIOS "Save & Exit" wählen und der Rechner startet. Der Lüfter geht mit den beschriebenen Einstellungen nach dem Start in den Ruhezustand und schaltet sich nur ein, wenn der Prozessor gerade viel zu tun hat.

Erster Eindruck und Fazit

Wie eingangs erwähnt ist der Prozessor nicht der schnellste. Das merkt man ihm aber bei Alltagsaufgaben nicht an. Der Rechner ist nach dem Einschalten in 20 Sekunden beim Anmeldebildschirm angelangt und die Verwendung von Standardprogrammen wie LibreOffice oder Firefox läuft durchweg flott und flüssig.

Nur einzelne rechenintensive Spezialaufgaben oder anspruchsvolle neue PC-Spiele erfordern mehr Rechenleistung. Mit seinem geringen Stromverbrauch und dem großen, erweiterbaren Hauptspeicher ist er auch gut für bestimmte Serveraufgaben geeignet.

Bei aller Liebe zu 'wertigen' Komplettsystemen ist das Marktgebaren von PC-Herstellern - manche würden es Wucher nennen - neben der gewonnenen Vielseitigkeit ein zusätzliches Argument die Komponenten selbst zusammenzustellen. Zusammenbau und Systeminstallation sind mit wenigen Handgriffen erledigt, der geringe Eigenaufwand ist ganz sicher die Ersparnis wert. Im Ergebnis hat man stets die maßgeschneiderte Lösung zum angemessenen Preis.

An diesem günstigen Eigenbau-Rechner wird der interessierte Anwender gewiß in jeglicher Hinsicht Freude haben.





 

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