Kopflos

2. Februar 2019

 

foto Ein Mann überquert eine ansonsten nahezu leere Straße auf einem Zebrastreifen und müht sich dabei etwas zu tragen das wie ein Wasserspender aussieht. Von den wenigen Passanten ebenso unbeachtet wie von einer Dame im Vordergrund, die abwesend auf die Anzeige ihres Telefons starrt. Eine alltägliche Szene die nicht einer leisen Skurrilität entbehrt, was ihre Zeitgenossen allesamt gekonnt zu ignorieren wissen. 

Ich liebe solche Begebenheiten, sie sind so herrlich beiläufig und zugleich so einzigartig. Und hier kommt obendrein ein Aspekt hinzu, der sich immer mehr in unser Alltagsleben begibt. 

Dass Menschen sich im öffentlichen Raum fast nur noch mit gesenktem Haupt bewegen und zeigen ist der allgegenwärtigen Verwendung von Schlaufonen zu verdanken. Ins Gespräch oder den Inhalt der Anzeige vertieft blicken Telefon-Nutzer nur noch selten auf und wenn sie es tun dann meist ohne Wahrnehmung ihrer Umgebung den Blick in die Ferne gerichtet.

Eine neue Qualität des Zusammenlebens tut sich auf, die die Öffentlichkeit in Schlaufon-Nutzer und Schlaufon-Meider teilt, letztere freilich hoffnungslos in der Minderheit. Menschen bringen es neuerdings fertig, mich auch dann umzurennen, wenn ich mich gerade unbeweglich an einem Ort befinde, einfach, weil sie auf ihr Telefon starrend orientierungslos in der Gegend umherlaufen. 

Das Sinnesorgan, das den evolutionstechnisch gerade erst einstudierten aufrechten Gang des Homo Sapiens um eine Kollisionswarnung ergänzt will von der Biologie erst noch erfunden werden. Bis dahin dürfte sich wohl noch so mancher Wegeunfall zutragen. Und auch jene, die mit dieser Art der Fortbewegung unfallfrei ans Ziel gelangen, geben ein Bild des Daseins ab, dem sich seit kurzem die Rubrik call me auf den Fotoseiten angenommen hat. 

Sicherlich kein so neues Thema mehr und zunehmend eines, dem sich aufgrund seiner mittlerweile erreichten Alltäglichkeit die Fotografie kaum entziehen kann. In Deutschland ist man ja schnell mit verbindlichen Regeln am Start, vielleicht wird hierzulande also bald die Straßenverkehrsordnung um Handybenutzungsgesetze erweitert um dem kopflosen Gewimmel Herr zu werden. Was wir nicht hoffen wollen. So oder so wird das Phänomen jedenfalls demnächst häufiger in Bilder Einzug halten. 





 

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