Zuschauer

7. September 2017

Das Außergewöhnliche im Alltäglichen kommt zumeist beiläufig und ziemlich kurzlebig daher. Zufällige Begegnungen, buchstäblich im Vorbeigehen, die zusätzlich zu ihrem unerwarteten Auftreten kurz eine die Aufmerksamkeit bindende Ansicht entfalten um im nächsten Augenblick schon der Vergangenheit anzugehören als hätte es sie nie gegeben.

Vor Ort einer solchen Szenerie ansichtig denkt man nicht weiter drüber nach, entnimmt dem Kontext der Begebenheit ihre Bedeutung und geht wie jeder weiter seiner Wege. Interessant ist, welche unterschiedliche visuelle Kraft all unsere tagtäglichen Begegnungen ausprägen, wie individuell wir zwischen Ignoranz und Wahrnehmung mit ihnen umgehen.

Die Fotografie gibt uns ein Mittel in die Hand, diese Kraft festzuhalten. Zwar ist die Wirkung einer Ansicht so subjektiv wie ein Abbild von ihr, aber anders als das Erlebnis selbst ist die Fotografie des Kontexts beraubt. Hier liegt wahrscheinlich ein Teil des Zaubers, den Fotografien enthalten und entfalten können.

Das Bild ist reduziert auf das, was im gewählten Ausschnitt und Moment sichtbar ist. Die Zeit ist angehalten, der Betrachter um das gebracht, was vorher oder nachher noch zu sehen war. Mit dem Einfrieren der Ansicht im Moment entsteht etwas Neues. Der Betrachter der Fotografie erlebt das Bild allein in jenem vom Fotografen herausgegriffenen Moment und verleiht diesem Erlebnis eine eigene Bedeutung, die nur aus dieser Ansicht schöpft.

Ein Austausch, auf den sich die Beteiligten einlassen müssen. Der losgelöst vom bloßen Konsum von Bildern stattfindet, wenn es zugelassen wird.

Und bei aller Reflektion und Interpretation bleiben diese Ansichten des Alltäglichen nichtige Momente in einer unendlichen Reihe von Begegnungen, deren Abbild vielleicht gelegentlich nicht alltäglich sein mag, aber ebenso kurzlebig, vergänglich und bedeutungslos wie im Grunde letztlich alles.

Momente allerdings, für die das Zuschauen gelegentlich lohnt.

Bild:
Frankfurt, Römerberg, Mai 2017
Kodak Porta 400
400 @ 640, push 1